Der Bericht in der Klubzeitung des FC Bayern aus dem Jahr 1965 beginnt eher unscheinbar – fast melancholisch. „Es war ein trüber Tag, dieser 10. Juli 1965. Ein Tag wie fast jeder andere in diesem Sommer“, heißt es im ersten Satz eines Artikels mit dem Titel „Marsch um den Tegernsee“. Auch das begleitende Foto lässt wenig Zweifel am Wetter aufkommen: Präsident Wilhelm Neudecker und Manager Robert Schwan, beide im Mantel und mit Hut, trotzen dem nasskalten Juli-Morgen.
Doch das Ereignis, das sich an jenem Tag abspielte, war alles andere als alltäglich. Für die Anhänger des FC Bayern wurde der 10. Juli 1965 zu einem symbolträchtigen Datum. Hintergrund war ein Versprechen, das Präsident Neudecker vor der entscheidenden Aufstiegsrunde zur Bundesliga gegeben hatte: Sollte der FC Bayern den Sprung in die höchste deutsche Spielklasse schaffen, wolle er zu Fuß einmal den Tegernsee umrunden. Ein Satz, halb ernst, halb im Überschwang der Euphorie – und doch mit Folgen.
Nach dem geglückten Aufstieg hielt Neudecker Wort. Was ursprünglich als persönliche Geste gedacht war, entwickelte sich rasch zu einem Fanereignis mit Volksfestcharakter. „Aus dem geplanten Ein-Mann-Marsch wurde eine der größten Völkerwanderungen, die der idyllische bayerische See je erlebt hat“, schrieb das Klubmagazin später. Rund 500 Bayern-Fans schlossen sich dem Präsidenten und einem Teil der Aufstiegsmannschaft an – darunter Rudi Nafziger und Adi Kunstwadl – und machten sich auf den rund 21,5 Kilometer langen Rundweg um den Tegernsee. Um exakt 7.08 Uhr fiel der Startschuss in Bad Wiessee. Vier Stunden später war das Ziel erreicht – erschöpft, aber mit Stolz im Gepäck.
Heute, sechs Jahrzehnte nach diesem historischen Marsch, wird die Tradition fortgeführt. Zum 60. Jubiläum des Bundesliga-Aufstiegs erwarten die Organisatoren eine deutlich größere Teilnehmerzahl. Weit mehr als 500 Fans werden am Tegernsee erwartet, um die Geschichte von 1965 neu aufleben zu lassen – als Hommage an einen entscheidenden Moment in der Vereinsgeschichte und als Ausdruck ungebrochener Vereinstreue.
Was damals bei grauem Himmel und feuchtem Wetter begann, ist längst Legende – und lebt nun, 60 Jahre später, in leuchtenden Farben wieder auf.
Text/Bild: Michael Ruckle für Bavaria-News


